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Beitrag vom 26.06.2014
Sprechen trotz allem - Interviewprojekt mit Ãœberlebenden des Holocaust ist online
AVIVA-Redaktion
Die von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas erarbeiteten Bildungsangebote richten sich an Schulklassen und Jugendgruppen. Online verfügbar sind die ZeitzeugInneninterviews in ...
... einer dafür eingerichteten Datenbank.
Im Jahr 2007, systematisch ab April 2009, begann die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas mit der Aufzeichnung von lebensgeschichtlichen Interviews mit Überlebenden des Holocaust. Mit Abschluss des Projektes ist ein eigenes Archiv entstanden, das es ermöglicht, fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Erfahrungen der ZeitzeugInnen zu begegnen und ihren Erinnerungen zuzuhören.
Zwischen 2007 und 2014 hat die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas 72 Videointerviews mit Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung in einem seit Juni 2011 von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Projekt durchgeführt und ausgewertet. Das Interviewprojekt »Sprechen trotz allem« vereint erstmals die Durchführung, Auswertung, Präsentation und didaktische Nutzung von lebensgeschichtlichen Videointerviews unter dem Dach einer Institution.
In den Interviews berichten die ZeitzeugInnen sowohl von ihrer Verfolgung während des Nationalsozialismus als auch von den verschiedensten Lebenswelten, die es in Europa vor dem Zweiten Weltkrieg gab und vom oft schwierigen Neuanfang nach 1945. Die Mehrheit der InterviewpartnerInnen hat aus dem Antrieb heraus gesprochen, dass die Überlieferung ihrer jeweilige Lebensgeschichte an kommende Generationen dazu dient, einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten und eine Lehre für die Zukunft zu sein. So resümiert Yehuda Bacon, geboren 1929 in Mährisch-Ostrau, nach seinem Interview:
»Schon als Kind verspürte ich den Drang, mir all das einzuprägen, was ich in Auschwitz und anderen Lagern beobachtet, gehört oder erlebt hatte. Nachdem ich den Krieg überlebt hatte, hielt ich es für meine Pflicht, von diesen Erfahrungen im Namen derer, die ermordet worden waren, zu sprechen. Das war für mich eine Möglichkeit, meinem Leben einen Sinn zu geben. […] Ich nehme an, dass es meine Hoffnung ist, dass das Erzählen irgendwie dazu beitragen kann, das solche Ereignisse nie wieder passieren.«
Ein Großteil der Interviewten stammt aus Städten in den früheren deutschen Ostgebieten wie Breslau sowie aus deutschsprachigen Orten Mittelosteuropas wie Czernowitz, Lemberg oder Riga, aber auch aus Polen. Die Interviews umfassen Lebensgeschichten von hauptsächlich jüdischen Überlebenden, aber auch von Sinti, als »asozial« Verfolgten, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden und Widerständlern sowie Opfern der Wehrmachtsjustiz. Die Interviews mit einer Länge von bis zu acht Stunden wurden mit Überlebenden der Jahrgänge 1913 bis 1942 durchgeführt, davon 65 Interviews auf Deutsch, vier auf Polnisch und drei auf Englisch. Ungefähr ein Drittel der Überlebenden hatte niemals zuvor in ausführlicher Form vor einer Videokamera über sein/ihr Leben berichtet.
Nach Abschluss des Projektes sind nun alle Interviews im Videoarchiv im Ort der Information des Denkmals für die ermordeten Juden Europas zugänglich.
BesucherInnen der Ausstellung können sich bereits seit dem Jahr 2008 anhand von Videoaufzeichnungen ausführlich mit den Lebensgeschichten von Verfolgten des NS-Regimes beschäftigen. Das Videoarchiv umfasste zunächst vor allem Interviews externer Institutionen, allen voran dem Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies der Universität Yale, mit Holocaust-Überlebenden und wird nun durch die eigenen Interviews der Stiftung erweitert.
Darüber hinaus sind die stiftungseigenen ZeitzeugInneninterviews in einer Datenbank online unter www.sprechentrotzallem.de verfügbar. Nach vorheriger Registrierung können die Videoaufzeichnungen so auch weltweit als Forschungsquelle genutzt werden.
Alle Interviews sind in der jeweiligen Originalsprache und in voller Länge verfügbar. Biografische und thematische Inhaltsverzeichnisse, Abschriften in der Sprache des Interviews sowie in deutscher Übersetzung sowie Schlagworte ermöglichen es, das umfangreiche Filmmaterial auf vielfältige Weise zu erschließen. Lebensläufe, kontextualisierende Zusammenfassungen und Darstellungen der Interviewsituation ergänzen die Videointerviews.
Bildungsangebote zur Quelle Videointerview
Die buchbaren, dauerhaft im Stiftung verfügbaren Angebote wie der Projekttag »Sprechen trotz allem«, der Workshop »Die Verfolgung der Sinti und Roma« sowie ein Einführungsworkshop zum Erstellen von Interviews mit Überlebenden, zur Bearbeitung und Präsentation des Videoarchivs gewähren interessante Einblicke in die zukünftig immer wichtiger werdende historische Quelle Videointerview. Die von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas erarbeiteten Bildungsangebote richten sich vor allem an Schulklassen und Jugendgruppen.
Begleitband zum Interviewprojekt
Im Rahmen des Projektabschlusses gibt die Stiftung einen umfangreichen Begleitband (188 Seiten) heraus, der das Projekt und alle InterviewpartnerInnen anhand von Kurzporträts vorstellt. Der Begleitband ist online unter www.stiftung-denkmal.de/publikationen sowie im Buchladen des Denkmals für 15,00 Euro erhältlich (bei Versand fallen 5,00 Euro Portokosten an).
Kontakt:
Informationen zum Interviewprojekt: Daniel Baranowski, Projektleiter, Telefon: +49 (0)30 26 39 43 – 66, E-Mail: daniel.baranowski@stiftung-denkmal.de
Informationen zu Bildungsangeboten: BesucherInnenservice, Telefon: +49 (0)30 26 39 43 – 36, E-Mail: besucherservice@stiftung-denkmal.de
Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Georgenstraße 23
10117 Berlin
www.stiftung-denkmal.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Survivors of the Shoah Visual History
(Quelle: Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas)